Lilli Hollunder über Notruf Hafenkante, Alltagsstress und Empathie

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Vor zwei Jahren trafen wir die Schauspielerin Lilli Hollunder bereits, um über ihre (damals) neue Rolle der Isabell Nowak in Notruf Hafenkante zu sprechen. Nun startete die 20. Staffel und wir wollten mehr erfahren. Was passiert an der Hafenkante und in Lillis Privatleben? Wie geht die Schauspielerin mit Stress um und was macht die Erfolgsserie sowohl auf Entertainment- als auch auf gesellschaftskritischer Ebene so besonders?

Hamburg Woman: Lilli, du bist mittlerweile festes Teammitglied bei Notruf Hafenkante. Fühlst du dich angekommen?
Lilli Hollunder:
Sehr! Eigentlich bin ich gefühlt seit Tag 2 nicht mehr die Neue. Das Team macht es einem so leicht, sich hier zu Hause zu fühlen. Nach fast drei Jahren bin ich also definitiv ein Familienmitglied, würde ich sagen.

Mit Staffel 20 startet eine Jubiläumsrunde – 500 Folgen! Was macht diese Staffel für dich besonders und auf welche Episode freust du dich persönlich am meisten?
Wir erfahren in der neuen Staffel endlich mal was über Isas Liebesleben. Das wird auch allerhöchste Zeit und gibt der Figur nochmal ein anderes Bild. Bisher denkt man, glaube ich, Isa liebt nur ihre Arbeit. (lacht)

In der ersten Folge geht es direkt um ein moralisches Dilemma. Wie sehr nimmst du solche Konflikte aus dem Drehbuch mit nach Hause – oder bleibt Isabell Nowak konsequent in der Maske zurück?
Bei unserem Drehpensum bleibt eigentlich keine Zeit, Geschichten mit nach Hause zu nehmen. Wir drehen ja in recht kurzer Zeit fünf Folgen, müssen aber häufig dann schon die neuen Bücher für den nächsten Block lesen. Einmal ist dann aber doch etwas hängen geblieben. Es ging in der Folge um Abschiebung. Das hat mich persönlich sehr berührt. Vielleicht, weil es auch gerade so ein präsentes Thema ist. Wir sehen in den USA, wie Familien getrennt werden. Und auch in Deutschland nehmen diese Geschichten ja zu.

Verstehe! Gab es während der Dreharbeiten denn auch eine besonders witzige, kuriose oder sogar gefährliche Szene, die dir in Erinnerung geblieben ist?
Witzig ist es sehr oft. Gerade zwischen meinem Partner und mir. Besonders, weil wir mittlerweile schon sehr schnell erkennen, wenn einer von uns lachen muss. Da reicht ein Zucken vom Auge. Da läuft man dann Gefahr, mit einzusteigen und nicht mehr aus dem Lachanfall herauszukommen. Dabei haben wir dafür leider wirklich keine Zeit mehr bei dem Pensum. Aber manchmal geht es einfach nicht anders. (lacht) Dann lautet das Motto der Stunde „Nach müde kommt doof“ – und es muss einfach raus.

Isa (Lilli Hollunder) und Kris (Marc Barthel) © ZDF / Roland Fritzenschaft

Und wie bereitest du dich auf drehintensive Phasen vor? Gibt es Rituale, die dir helfen, in die Rolle der Isa zu schlüpfen?
Primär versuche ich in drehfreien Zeiten viel Sport zu machen. Der Körper beschwert sich nach ein paar Drehwochen dann doch immer. Viel Stehen in gesamter Polizeiuniform und mit Waffengurt – das geht bei mir dann tatsächlich irgendwann auf den Rücken. Dem versuche ich vorzubeugen.

Die Kombination aus Polizei und Notarztwesen macht die Serie besonders spannend. Was hast du durch deine Rolle über diese beiden Berufe gelernt – und was hat dich vielleicht überrascht?
Wann immer ich im EKH drehe, schlägt mein kleines „Mediziner-Herz“ wieder auf – was aber wenig überraschend für mich ist, da ich fast Medizin studiert hätte. Mit einem Papa als Arzt und einer Mama als Schauspielerin haben schon immer zwei Herzen in meiner Brust geschlagen. Aber dessen bin ich mir schon spätestens seit meinem Pflegepraktikum im Krankenhaus vor vielen Jahren bewusst. Umso schöner, dass wir Polizist*innen für Befragungen auch immer wieder das Krankenhaus besuchen dürfen. Ich selbst liebe gute Krankenhausserien. Das macht unsere Serie so besonders: interessante Krimi-Fälle und die Medizin.

Hast du nach all den Einsätzen einen kleinen inneren ‘Polizeikompass’ entwickelt – oder bleibst du lieber der Fiktion treu?
In unseren Polizeidialogen geht es ja oft ziemlich direkt zu. Klare Worte. Klare Ansprache. Ich habe mir das ein wenig abgeschaut für unangenehme Situationen, denen ich früher lieber ausgewichen wäre. Ich benenne die Dinge jetzt schneller, stelle mich der Situation. Die Rolle als Polizistin hat schon etwas mit meiner inneren Haltung gemacht.

Dein Mann René Adler durfte in einer Folge mitspielen. Wie war es, dass sich eure zwei Welten am Set getroffen haben?
Ich glaube, er war ziemlich überrascht (wenn nicht schon beinahe schockiert) darüber, wie viele Menschen an so einem Set sind, was da für eine Energie herrscht und wie flott alles laufen muss. Er weiß jetzt, warum ich abends immer so müde bin. Aber auch, warum ich immer sage, dass wir das netteste Team der Welt haben.

Du hast 2 Kinder, einen Podcast, renovierst gerade dein Haus und bist voll eingespannt in der Hafenkante. Ein ganz schönes Pensum. Wie entspannst du dich nach einem langen Tag?
Tja, da ist im Alltag ehrlich gesagt nicht wirklich Zeit für Entspannung. Die versuche ich mir dann in meinen Drehpausen zu holen – durch Sport, Massagen oder einfach mal einen Serien-Vormittag im Bett, wenn die Kids in der Kita sind (das klappt leider mittlerweile sehr selten). Ich glaube, ich bin aber auch einfach zu sehr „Frau und Mama“. Ich bin eh schon so viel weg, da will ich in den wenigen Stunden in der Woche oder am Wochenende nicht noch mehr an Zeit mit meinen Kindern sparen. Deshalb bekommen sie die volle Aufmerksamkeit. Aber ich brauche diese Zeit mit ihnen auch – selbst wenn es mit Kleinkindern nicht immer un-anstrengend ist. Aber das emotionale Konto muss dann gegenseitig aufgeladen werden. Das Einzige, was ich in meinen Alltag aktuell noch quetschen kann, ist das Ausprobieren neuer Rezepte. Das mache ich dann ganz für mich selbst, was etwas sehr Meditatives hat. Da komme ich gut runter. Es sei denn, die Kids wollen mir helfen und streiten sich dabei. So sieht es dann meistens eher aus. (lacht)

Inwiefern helfen dir kreative Prozesse wie zum Beispiel deine aktuelle Hausrenovierung, dich auch künstlerisch weiterzuentwickeln – oder ist das eher ein Kontrastprogramm zum Drehalltag?
Ich war schon immer ein Mensch, der aus Kreativität Kraft und neue Energie gezogen hat. Das hat mir auch in dunklen Momenten meines Lebens immer sehr geholfen. Der Hausbau ist natürlich nur bedingt kreativ. Da sind erstmal 1000 Punkte, die entschieden werden müssen. Am besten so schnell wie möglich. Das fühlt sich dann mehr nach Hausaufgabe und weniger nach Kreativität an. Meine Zeit für Kreativität wird schon wieder kommen, aber dafür brauche ich mehr Luft und Freiraum. Dann wird hoffentlich auch das nächste Buch geschrieben.

So viel Zeit wie du am Set verbringst – wie sieht dort für dich ein idealer Tag aus?
Im besten Fall ist es ein Außendreh mit Sonnenschein, keine Hängzeiten, ausschließlich gute Laune bei allen und viel Lachen. Ach ja, und vielleicht gibt noch jemand eine Klappe aus und hat selbstgemachten Kuchen mitgebracht – da würde ich auch nicht Nein sagen.

Isa (Lilli Hollunder) und Kris (Marc Barthel) versuchen, die eskalierte Situation im EKH unter Kontrolle zu bekommen. © ZDF / Roland Fritzenschaft

Und in deiner Freizeit?
Da bleiben wir bei der guten Laune. Ich habe wenig Verständnis für schlechtgelaunte Menschen. Die machen ihr Problem zu meinem, und das ist egoistisch. Also: Im besten Fall gut gelaunte Kinder, die ich ready mache und in die Kita bringe, dann ein paar Dinge erledigen, um das Gefühl von Produktivität zu haben und danach Tennis spielen gehen. Anschließend am Nachmittag mit den Mäusen, ihren Freunden und Müttern abhängen, Kaffee trinken, quatschen, lästern und lachen – sich einfach leicht fühlen. Und vielleicht wird noch spontan eine Flasche Crémant geöffnet.

Das klingt schön! Und was wünschst du dir für Isa Nowak in den kommenden Staffeln – mehr persönliche Storylines, neue Konflikte, eine geheime Vergangenheit vielleicht?
Ich drehe so gerne mit Gerit Kling, die meine Mutter spielt. Ich denke, da ist lange noch nicht alles erzählt, und die beiden haben viel aufzuholen. Vielleicht ein Mama-Tochter-Mädelsabend, der lustig anfängt und dann außer Kontrolle gerät und die Kolleg*innen zur Hilfe kommen müssen?

Gibt es Attribute, die du der Serie zuschreiben würdest, die dir persönlich besonders viel bedeuten?
Ich liebe die Leichtigkeit der Serie. Die Dialoge zwischen den Kolleg*innen haben meist ein Zwinkern im Gesicht. Aber auch ernste Themen werden in der Kürze der Möglichkeiten gut transportiert. Und wir sprechen auch gesellschaftskritische und relevante Themen an und versuchen dadurch, sehr aktuell zu bleiben. Nicht zuletzt steht eine unserer absoluten Hauptrollen – Hamburg – ja für sich. Ich denke, alle Zuschauer*innen von nah und fern freuen sich immer, mit in unsere schöne Stadt eintauchen zu können.

Gibt es eine Rolle oder ein Genre außerhalb von Notruf Hafenkante, das dich besonders reizen würde?
Ich bin privat ein riesen Fantasy/Science-Fiction-Fan. Ich hatte das große Glück, schon einmal als Bösewicht mit spitzen Ohren in einer amerikanischen Produktion eine Hauptrolle übernehmen zu dürfen. Das war einfach nur ein wahr gewordener Traum. Darum hoffe ich natürlich, dass es nicht die letzte Erfahrung dieser Art war.

Und welche gesellschaftskritischen Aspekte in der neuen Staffel empfindest du als besonders relevant?
Ich glaube, der Aspekt unserer Zeit ist Empathie. Perspektivwechsel. Unsere Gesellschaft spaltet sich immer mehr. Da trägt die Politik weltweit – aber auch hierzulande – einen riesen Teil zu bei. Umso wichtiger ist es, bei sich selbst zu bleiben und seinen eigenen Werten – unabhängig aller Felsen und Wellen, die kommen – treu zu bleiben. Egal bei welchen Themen, die auch in Notruf Hafenkante behandelt werden, ist es elementar, Mitgefühl zu zeigen und sich immer vorzustellen: Das, was die Person da gerade erlebt, das könnte auch ich sein. 

Interview: Hanna Odenwald

Notruf Hafenkante: Jeden Donnerstag um 19:25 Uhr läuft eine neue Folge im ZDF.

Aufmacherbild: © ZDF / Boris Laewen (bola)