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Donnerstag, 20 März 2025
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    Vom steinernen Frauenakt und Elbstrand

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    Die schönsten Ecken Hamburgs – Susanne Baade und Dirk Lehmann erkunden in ihrem Buch 10.000 Schritte in Hamburg in 15 Touren die Hansestadt. Das Paar verbindet Bewegung mit Abenteuerlust und nimmt uns zu den schönsten und spannendsten Orten der Stadt mit.

    Was hat euch inspiriert, dieses Buch zu schreiben?
    Susanne Baade: Wir leben beide sehr aktiv. Ich liebe Yoga, Dirk fährt leidenschaftlich Rennrad und gemeinsam haben wir das Wandern für uns entdeckt. Immer wieder mal gehen wir zu Fuß vom Büro in Ottensen nach Hause zu unserer Wohnung in der Neustadt. Das sind rund 5 Kilometer. Wir unterhalten uns dabei oder gehen still in Gedanken. An manchen Wochenenden wandern wir, etwa in der Nordheide oder der Stormarner Schweiz. Wir machen auch längere Touren – über den Hexenweg im Harz, den Rhönweg, auf den Wegen der Wandertrilogie Allgäu. Und während der Corona-Zeit haben wir Touren in Ecken der Stadt unternommen, die uns vorher so nicht vertraut waren.

    Vor 2 Jahren habt ihr ein Reisebuch über Portugal veröffentlicht. Wieso nun über Hamburg? 
    Dirk Lehmann: Portugal und Hamburg passen perfekt. In Lissabon sind noch lange die früheren Typschiffe der Hadag auf dem Tejo als Fähren eingesetzt worden. Hamburg ist mit seinem Portugiesenviertel die größte portugiesische Gemeinde außerhalb Portugals und Portugal hat den Geschmack des Hamburger Gin Sul inspiriert. Susannes Mutter Filipa ist Portugiesin und mit einem Hamburger verheiratet. So wuchs Susanne in Hamburg auf und ich habe an der Henri-Nannen-Schule meine Ausbildung zum Redakteur gemacht. Es gibt also viele Anknüpfungspunkte. 

    Hamburg wird auch als das „Venedig des Nordens” oder die „grünste Stadt” betitelt. Welche Assoziation habt ihr mit der Stadt? 
    Beide: Diese Vergleiche – die Riviera Norwegens, das Venedig Brandenburgs, das San Gimignano Baden-Württembergs – sind nicht so unser Ding. Hamburg hat viele überraschende Seiten, ist Metropole und Dorf gleichermaßen, mal zubetoniert und mal verblüffend naturnah, bei vielen Besucher*innen beliebt und doch eine Perle. Wir haben dieses ganze Bündel an Gefühlen für die Stadt in unseren Touren gesucht. Und auch gefunden. Davon erzählt unser Buch.

    Ihr erwähnt viele bekannte Sehenswürdigkeiten, aber auch weniger bekannte Ecken. An welchen der versteckteren Orte verbringt Ihr persönlich gerne Zeit?
    Manchmal sind die Holzbohlen beim Teehaus in Planten un Blomen so ein Ort oder die in der Sonne stehende Bank beim Puppenmuseum, manchmal begeistert uns das Savannen-Feeling im Duvenstedter Brook oder eine der Holzplattformen auf den Magellanterrassen, wir lieben Luciellas Eiscreme oder ein Glas Cremant im Liberté – es gibt viele dieser Orte.

    Und wie habt ihr die verschiedenen Touren entwickelt? 
    Grundsätzlich wollten wir ein abwechslungsreiches, überraschendes Hamburg zeigen und dabei auch ikonische Orte mit einbeziehen – die Alster, der Hafen, die Elphi und Elbe. Und, klar, wir wollen auch immer überraschen. Selbst im Vertrauten.

    Der Elbstrand ist zu jeder Jahreszeit ein magischer Ort für Hamburger*innen und Besucher*innen.

    Sind es denn alles Routen, die ihr persönlich schon oft gegangen seid oder habt ihr neue Wege speziell für das Buch entdeckt?
    Angefangen hat es mit Routen, die wir bereits kannten. Wir haben sie dann ausgearbeitet, präzisiert, vereinfacht und sind diese mit Komoot abgegangen. Dann kamen Varianten dazu, für einen Wanderführer auch mal eher ungewöhnliche Ansätze – wie eine Kulinarik-Tour, eine Waldbaden-Route oder die Achtsamkeits-Runde im Stadtpark.

    Hamburg hat sehr unterschiedliche Landschaften – von Buchenwäldern bis zu Villenvierteln. Welche dieser Umgebungen hat euch beim Schreiben der Touren besonders fasziniert?
    Jede unserer Routen ist auch eine Art Zeitreise. Wir hatten viele besondere Begegnungen, etwa mit dem herzigen Platzwart vom Fußballstadion im Bergedorfer Gehölz oder mit der genervten Mutter in Finkenwerder. Beim Recherchieren hat sich dann gezeigt, dass es auch so viel zu entdecken gibt – einiges dürfte auch leidenschaftliche Hamburger*innen überraschen. Am schmerzlichsten sind die in der allgegenwärtigen, nicht immer gleich gut sichtbaren Spuren, die der Nationalsozialismus hinterlassen hat. Sie haben unsere Abscheu, unsere Verachtung für jegliche Formen des dumpfen Populismus nur verstärkt.

    Der steinerne Frauenakt im Stadtpark stammt von dem Hamburger Bildhauer Albert Woebcke.

    Was würdet ihr Besucher*innen raten, die Hamburg zum ersten Mal zu Fuß erkunden – gibt es bestimmte Tageszeiten oder Jahreszeiten, die für eure Touren besonders geeignet sind?
    Für die Abenddämmerung eignen sich nur die City-Touren. Aber selbst dann verpasst man einiges. Wir wollen ja dazu einladen, die Stadt aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel sehen. Da macht es schon Sinn, am Morgen oder am Nachmittag zu starten. Dabei ist die Jahreszeit egal. 

    Die Empfehlung der WHO, 10.000 Schritte täglich zu gehen, wird oft betont. Habt ihr selbst eine Routine entwickelt, wie sich diese Zahl in euren Alltag integrieren lässt?
    Wie wir inzwischen wissen, müssen es gar nicht unbedingt 10.000 sein. Es geht eher um den Spirit. Wir machen es wie viele und nutzen die Gesundheitsapp unseres Smartphones. Die zählt die Schritte – und es ist uns schon lange fast eine Competition, mindestens 7.500 Schritte pro Tag zu schaffen, über das ganze Jahr. Das Gehen ist aber nicht nur eine Ertüchtigung. Wir mögen auch das reduzierte Tempo und die Zeit, die einem das Gehen gibt.

    Eure Agentur „The Smiling Moon“ war eine der ersten in der Content- und Social-Media-Branche für die Reisebranche. Wie seht ihr die Entwicklung der Branche im digitalen Zeitalter?
    Puh, das ist ein mehr als abendfüllendes Thema. Es gibt Aspekte des Reisens, die sind nahezu völlig durch digitalisiert: die Buchung von Hotelzimmern, Mietwagen, Leihrädern, Flügen und Restaurantplätzen. Zudem nutzen wir das Smartphone als Zahlungsmittel, Ticket, Voucher und Identifikationsnachweis. Doch die Reise selbst ist absolut undigitalisierbar. Wir reisen an Orte, begegnen Menschen, fühlen, riechen, schmecken, lassen uns abends müde und zufrieden in ein fremdes Bett fallen. Digitalisierung ist also nur der Zugang zu Erlebnissen, die uns als Mensch noch menschlicher, empfindsamer, aufmerksamer, erfahrungsreicher machen. Manchmal kann man den Eindruck gewinnen, dass das in den Diskussionen um Digitalisierung und KI ein wenig verloren geht. 

    Eure Karriere begann in der Welt der Magazine – wie fließt das dort erlernte Wissen in eure aktuellen Projekte bei „The Smiling Moon“ ein?
    Wir fotografieren, filmen, recherchieren, schreiben – wie wir das früher auch für Art und Brigitte, Stern und Geo gemacht haben. Jetzt erstellen wir diese Inhalte allerdings für unsere Auftraggeber*innen. So wollen wir das Besondere einer Destination, einer Reise, eines Hotels darstellen. Es gibt viele schöne Reiseziele. Aber was macht den Unterschied aus? Das ist es, was wir erzählen.

    Gibt es ein bestimmtes Projekt, das euch besonders stolz gemacht hat und warum?
    Die Antwort soll nicht blöd klingen, aber wir mögen jeden noch so kleinen Beitrag, den wir machen und jede noch so große Reise, die wir unternehmen – sei es an die Südsee oder an den Polarkreis. Wir lieben, was wir tun. 

    Als Paar, das beruflich also eng zusammenarbeitet: Wie schafft ihr es, Privates und Berufliches, harmonisch zu gestalten?
    Wirken wir so harmonisch? Danke, das freut uns! Es gibt ja viele zufriedene Working Couples. Wer viel Zeit zusammen verbringt, lernt schnell, respektvoll miteinander umzugehen. Klar, manchmal redet man auch beim Abendessen noch über den Arbeitstag. Aber wer tut das nicht. Wir genießen aber die besonderen Momente, die uns der Beruf beschert. Und wir wissen, wie wichtig es ist, auch mal alles hinter sich zu lassen – und einfach mal wieder gemeinsam los zu gehen. Eine überraschend schöne Wanderung durch Hamburg zu machen, zum Beispiel. Somit ist unser Buch auch eine Art Paar-Therapie! Hanna Odenwald

    10.000 Schritte in Hamburg, Susanne Baade & Dirk Lehmann,
    Kneipp Verlag Wien, Taschenbuch, 208 Seiten, 25 Euro

    Fotos: © Susanne Baade