Für Valeria Galimova ist die Musik und besonders die klassische Gitarre nicht nur ihre große Leidenschaft, sondern auch das Sprachrohr ihrer Gefühle und Gedanken. Mit ihrem Debüt-Album „Lost and Found“ zeigt sie am 07. März in der Kunstklinik, wie für sie Liebe, Schmerz und Hoffnung klingt.

Wie kamst du zur klassischen Gitarre?
Valeria Galimova: Eigentlich hat mich meine Mutter dahin gebracht. Ich hatte erst kein besonderes Interesse an Musik, es hat mir nur gut gelegen. Ich nahm an Wettbewerben teil, spielte an Konzerten und gab Interviews für Zeitungen. Aber ich habe nie ernsthaft darüber nachgedacht, Musikerin zu werden. Die wahre Liebe zur Musik kam erst später. Als die Zeit kam, die Musikschule abzuschließen, wurde mir nämlich bewusst, wie sehr ich das alles liebe und das ich bereit bin, den schwierigen und doch inspirierenden Weg als Musikerin zu gehen.
Du trittst mit deinem Debüt-Album „Lost & Found“ auf. Welche Gedanken hast du dir bei der Arbeit am Album gemacht?
Das Debüt-Album ist meiner Meinung nach ein sehr wichtiger Schritt in der Karriere eines Musikers. Ich hatte schon einmal den Versuch unternommen ein Album aufzunehmen, doch es scheiterte daran, dass ich einfach eine Sammlung von sehr schönen Stücken aufgenommen habe und dann spürte, dass etwas fehlt. Zu dieser Zeit begann ich mein Studium bei Professor Thomas Fellow. Ich erzählte ihm davon und er sagte: „Ein Debüt-Album ist sozusagen der erste Moment, in dem man sich der Öffentlichkeit zeigt und auf sich aufmerksam macht. Du musst zeigen, was in dir steckt, wofür du brennst, was dich bewegt.“ Wir begannen an einem neuen Album zu arbeiten und ich habe ein Programm entwickelt und ein Album aufgenommen, das die wichtigsten Themen unserer Zeit und meine persönlichen Empfindungen für die Menschen, die mir zuhören, widerspiegelt. Ich bin der Meinung, dass Künstler*innen über reines Entertainment hinaus auch eine klare Haltung einnehmen sollten. Gerade in diesen unruhigen Zeiten möchte ich durch meine Musik Botschaften vermitteln und nicht nur ein angenehmes Programm auf einer CD zusammenstellen.
In deinem Album thematisierst du den Schmerz des Verlustes und das Finden von Hoffnung und Mut in einer so chaotischen und konfliktreichen Zeit.
Ich muss sagen, dass ich manchmal ein völliges Fehlen von Hoffnung verspüre. Trotzdem habe ich wahrscheinlich einen unerschütterlichen Glauben an die Menschen. Wenn ich sehe, wie sie selbstlos anderen helfen, Tiere retten oder die Natur wiederherstellen, erwacht in mir die Hoffnung. In letzter Zeit bereitet es mir außerdem die größte Freude, zusammen mit anderen Musiker*innen zu spielen. In diesen Momenten kann ich wirklich zur Ruhe kommen, den Augenblick genießen und Wärme spüren. Besonders liebe ich es, zusammen mit meinem Mann Justus zu spielen, wenn wir in der Küche sitzen. Er ist auch Gitarrist und wir spielen seine Stücke, die er für uns geschrieben hat. In solchen Momenten entsteht das Gefühl, dass alles gut wird.
Am 07. März präsentierst du dein neues Album in der Kunstklinik – ein Tag vor dem Internationalen Weltfrauentag. Wie empfindest du das Maß an Gleichberechtigung in der klassischen Musikszene?
Vor etwa 10-15 Jahren galt „Wow, das hast du toll gespielt, fast wie ein Mann!“ als größtes Kompliment für eine Gitarristin. Solche Worte hört man heute nicht mehr. Es gibt inzwischen so viele großartige Gitarristinnen, die hervorragend spielen und ihre Karriere aktiv vorantreiben. Ich bin mir sicher, dass es auch früher viele talentierte Frauen gab, aber erst jetzt haben sie die gleichen Chancen wie Männer. Seit meiner Kindheit war die Gitarristin Irina Kulikova ein Vorbild für mich – die erste russische Frau, die viele renommierte internationale Wettbewerbe gewonnen hat und weiterhin aktiv konzertiert. Außerdem sind Maria João Pires, Camille Thomas, Berta Rojas, Anastasia Kobekina und Martha Argerich eine große Inspiration für mich. Sie alle sind unglaublich authentisch, haben einen eigenen Klang und Stil.
Vor zwei Jahren hast du bei einem Gitarrenbaukurs eine eigene Gitarre angefertigt.
Ja! Das war eine unglaubliche Erfahrung. Ich habe einen ganzen Monat in Granada in der Werkstatt von Pavel Gavryushov verbracht, wo ich unter seiner Anleitung eine Gitarre gebaut habe. Davor hatte ich überhaupt keine Erfahrung mit der Arbeit mit Holz! Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und als sich die Möglichkeit ergab, eine Gitarre selbst zu bauen und dabei alle Feinheiten zu verstehen, konnte ich einfach nicht nein sagen. Ich nehme sie in meine Hände und betrachte jedes Teil. Ich kenne jedes Detail, jede Kleinigkeit, jede Kurve. Diese Gitarre ist so besonders für mich, dass ich glaube, auch die Zuhörer*innen spüren unsere Verbindung, wenn ich auf der Bühne spiele. lm

Fotos: © Nick Konstantin Otto
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