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Donnerstag, 16 Januar 2025
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    StartPeople„Grundvoraussetzung für Resilienz ist die Offenheit für Veränderung"

    „Grundvoraussetzung für Resilienz ist die Offenheit für Veränderung”

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    Gesellschaftlicher Zusammenhalt und kollektive Resilienz – dafür setzt sich Cociety-Geschäftsführerin Dr. Marina Beermann ein.

    Cociety ist ein Netzwerk, das gemeinnützige, zivilgesellschaftliche Organisationen zusammenbringt und kollektiv darauf hinarbeitet, durch eine höhere Resilienz die Krisen unserer Zeit zukunftsweisend meistern zu können. Doch was heißt das genau? Dr. Marina Beermann gibt uns einen Einblick.

    Mit Cociety setzt du dich für eine resilientere Gesellschaft ein. Was genau bedeutet das und wie sehen mögliche Transformationsprozesse aus?
    Resilienz ist die Fähigkeit von Systemen erfolgreich Krisen und abrupte Veränderungen meistern zu können, statt daran zu zerbrechen. Ein System kann dabei ein Mensch, ein Ökosystem, ein Unternehmen oder Lieferkette sein oder bspw. eine Gesellschaft. Was Resilienz von Menschen fördert, ist gut erforscht in der Psychologie und Pädagogik. Auch welche Eigenschaften helfen können z.B. Lieferketten so zu gestalten, dass sie Krisen gut abpuffern können, ist ein bereits erforschtes Feld. Wenn es aber um eine Gesellschaft geht, eine Form kollektiver Resilienz ist die Forschung noch nicht so weit. Daran setzt unsere Arbeit an. Für uns ist eine resiliente Gesellschaft eine Gesellschaft, die es schafft auf demokratische Weise, plötzliche Krisen und weitreichende Veränderungen zu meistern und bewusst in soziale und ökologische Puffer investiert. Soziale Puffer können dabei ein gutes, funktionierendes Miteinander sein, welches u.a. auch die individuelle Resilienz positiv beeinflusst. Dabei spielt auch ein „Raus aus der eigenen Bubble“, das Aufbrechen von Lagerdenken eine große Rolle. Unter anderem daran arbeiten wir in unseren Projekten wie dem zwei-jährigen Bürgerprojekt namens „CoSaturday“.

    Ihr bringt im Netzwerk mehrere Initiativen zusammen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit auf praktischer Ebene und welche Synergien konnten bisher genutzt werden?
    Auch in unserer Innenperspektive, d.h. unserer Zusammenarbeit im Netzwerk selbst spielt Resilienz und unsere vier Resilienzfaktoren (Transformationsfähigkeit, Vernetzung/Kooperation, Empowerment, Diversität) eine Rolle. Wir stärken diese, indem wir uns 1. vernetzen und in verschiedenen thematischen Gruppen austauschen und zusammenarbeiten. Wir uns 2. gegenseitig empowern. Wir 3. von der Vielfalt unserer Initiativen aus den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz, Bildung, Kultur und internationale Entwicklungszusammenarbeit profitieren und 4. wir uns transformieren, indem wir uns gegenseitig durch unsere Verschiedenartigkeit immer wieder inspirieren, als auch durch die Impulse, die wir aus unserem Bürgerprojekt erhalten. Hier sind wir ganz nah bei den Bürger*innen Hamburgs, ihren Sorgen, ihren Meinungen zu gesellschaftlich herausfordernden Themen und können davon auch in unserer gemeinnützigen Arbeit profitieren.  

    Bei der Veranstaltungsreihe „CoSaturday“ beschäftigt ihr euch mit aktuellen gesellschaftskritischen Themen. Was ist das Ziel dieses Dialogformats? 
    Wir wollen herausfinden, was uns als Menschen hilft besser gemeinsam, d.h. kollektiv mit Krisen umgehen zu können. Damit wir auch zukünftig friedlich miteinander leben können und Lösungen finden für die vielen Aufgaben (wie Klimawandel, Migration, Digitalisierung, demografischer Wandel), vor denen wir stehen und wo wir uns oft gesellschaftlich nicht einigen können bzw. wir sogar feststellen, dass Positionen sich verhärten, Polarisierung zunimmt und unsere Demokratie schwächt. Grundvoraussetzung für (kollektive) Resilienz ist die Offenheit für Veränderung. Menschliche Begegnungen zu schaffen von Menschen, die sonst aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit nie Berührungspunkte miteinander hätten, und in eine gezielte Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Konfliktthemen zu gehen, ist ein wichtiger Baustein unserer Arbeit. Wir haben ein Panel aus 100 Hamburger Bürger:innen, die repräsentativ die Vielfalt unserer Stadt wiederspiegeln. Und zusammen setzen wir uns in 1-tägigen Veranstaltungen mit Konfliktthemen wie bspw. Integration auseinander. Über die zwei Jahre erforschen wir wissenschaftlich, was diese spezielle Art der Begegnung und Beschäftigung mit polarisierenden Problemfeldern in Bezug auf die Bereitschaft sich zu verändern, einen Perspektivwechseln einnehmen zu können, als auch Resilienz auszubilden, macht. Darüber hinaus geben wir den Bürger:innen eine Stimme, was sie bspw. denken zum Thema Integration, was ihre Sorgen und Meinungen sind. 

    Ein Einblick in eine Veranstaltung der Reihe „CoSaturday”.

    Welcher persönliche Antrieb steckt hinter deiner Arbeit?
    Mein Motto ist: Verstehen und Verändern. Ich habe mich beruflich immer mit gesellschaftlichen Fragestellungen, ob in der Klimafolgenforschung oder als Fachbereichsleiterin beim WWF beschäftigt. Als Geschäftsführerin von Cociety kann ich beide Perspektiven, das Verstehen und das Verändern ausleben. Das Verstehen in Bezug auf das, was uns als Gesellschaft dazu befähigen kann, auf demokratische Weise mit Krisen und Herausforderungen wie bspw. Klimawandel, Verlust unserer biologischen Vielfalt, Migration, demographischer Wandel sowie technologische Entwicklungen umzugehen. Resilienz ist sehr gut erforscht auf Ebene des einzelnen Menschen, aber wie wir zusammen, als Kollektiv diese Fähigkeit fördern und erlernen können, ist noch recht neu. Hier möchte ich mehr verstehen dürfen, um dann in die Veränderung gehen zu können. Und die Seite des Veränderns kann ich bereits jetzt durch den Aufbau der neuen Organisation ausleben. Denn Cociety ist im Grunde ein Start up. Und ich baue gerne Organisationen auf.

    Und wie geht es mit Cociety langfristig weiter?
    Langfristig wollen wir unser Netzwerk öffnen und vergrößern, sodass weitere Akteur*innen, die unsere Mission der gesellschaftlichen Resilienzförderung teilen, teilhaben können. Wir wollen auf Basis unserer Erkenntnisse aus dem CoSaturday-Projekt in eine Verstetigung unseres Konzepts gehen, denn wir sind überzeugt, dass es mehr menschliche Begegnung von Menschen mit unterschiedlichsten Meinungen und Lebensrealitäten braucht. Nur so können wir unser gesellschaftliches Miteinander in Hamburg krisenfest und zukunftsfähig aufstellen.
    Hanna Odenwald

    Mehr Infos HIER.

    Fotos: © Cociety