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Freitag, 13 Dezember 2024
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    StartGesund lebenIm Talk mit Gendermedizinerin Sandra Eifert

    Im Talk mit Gendermedizinerin Sandra Eifert

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    Im Oktober fand das 13. Netzwerk- und Austauschformat HAMBURG WOMEN Connect im Steigenberger Hotel Treudelberg Hamburg statt. Dieses Mal im Fokus: Der Gender Health Gap. Unter den drei renommierten Gästinnen aus dem Gesundheitswesen teilte Herzchirurgin und Gendermedizinerin Professorin Dr. med. Sandra Eifert (Helios Herzzentrum Leipzig) ihr Expertenwissen zum Thema Herzgesundheit von Frauen. Wir wollten mehr darüber erfahren und sprachen mit ihr über ihr Buch „Herzsprechstunde. Warum das weibliche Herz anders ist und wie es gesund bleibt – Hormone, seelische, Einflüsse, Risikofaktoren: So schützen Sie ihr Herz“.

    Was hat Sie dazu bewogen das Buch zu schreiben?
    Sandra Eifert: Mein damaliger Chef an der LMU in München, Prof. Dr. med. Bruno Reichart, bat mich 2008 zu untersuchen, warum Frauen nach einer Herzoperation doppelt so häufig sterben wie Männer. Ich bildete mich in der Gendermedizin weiter und stellte fest, dass es von den Risikofaktoren, über die unterschiedlichen Symptome bis hin zur Diagnostik und zur Therapie Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt – besonders bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nachdem ich 2014 anfing, eine Sprechstunde für Frauen zu etablieren, brachte mich mein Bekanntenkreis auf die Idee, ein Buch darüber zu schreiben. Da ich Ärztin und keine Autorin war, fand ich aufgrund ihrer Expertise in Wissenschaftsjournalistin und Medizinerin Dr. Med. Suzann Kirschner-Brouns die Co-Autorin. 

    An wen richtet sich Ihr Buch?
    Mir und meiner Koautorin ist es wichtig, die Besonderheiten des weiblichen Herzens, vor allem in den besonderen Lebensphasen, bekannt zu machen. Zum einen ist das Buch für Patientinnen, die bereits bestimmte Risikofaktoren haben und zum anderen gibt es Patientinnen, die schon eine Herzerkrankung haben und vorsorgen müssen.

    Analog zum häufig diskutierten Gender Pay Gap gibt es den Gender Data Gap, der – zumindest meiner Meinung nach – eher selten behandelt wird. Was glauben Sie, woran das liegt?
    Weil in vielen Bereichen überhaupt nicht klar ist, dass der besteht. Nicht alles, was in der Medizin beim Mann gilt, ist auch eins zu eins auf die Frau übertragbar. Wir haben einen hormonollen Zyklus, der regelmäßige Veränderungen mit sich bringt und besondere Lebensphasen, die große Veränderungen im weiblichen Körper hervorrufen. Bei Medikamenten wissen wir, dass teilweise die gleiche Dosis bei den Frauen eine stärkere Wirkung, aber auch stärkere Nebenwirkung hat. Es ist wichtig, dass Frauen in Studien integriert werden, sonst fehlen uns Informationen. 

    In Ihrem Buch heißt es: Sowohl die biologischen, als auch die sozialen Unterschiede zwischen Mann und Frau sind wichtig, wenn es um die Behandlung einer (Herz-)Erkrankung geht. Wie ist das zu verstehen? 
    Die biologischen Unterschiede fallen im Englischen unter den Begriff Sex. Sie beziehen sich auf unseren Körperbau, unsere Gene und die Wirkung der Hormone, besonders der Geschlechtshormone. Unter dem Begriff Gender verstehen wir alles Soziale: also, Zugang zum Gesundheitswesen, Geschlechterrollen, aber auch Wahrnehmung von Krankheit. Generell gehen Männer und Frauen mit Erkrankungen unterschiedlich um. Klassische Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Zuckerkrankheit, Fettstoffwechselstörung und Rauchen gelten für Männer und Frauen, aber zu unterschiedlichem Ausmaß. Dann kommen bei Frauen Schwangerschaftskomplikationen oder Autoimmunerkrankungen hinzu. Frauen schicken die Kinder und die Männer zum Arzt, nehmen sich aber häufig selbst nicht die Zeit, einen Arztbesuch in Anspruch zu nehmen. Diese Faktoren beeinflussen unter anderem, wie wir mit einer Erkrankung umgehen.

    Welche Rolle spielen psychische oder seelische Faktoren?
    Großer seelischer Stress oder psychische Themen, wie das Verlassen werden oder Mobbing, können eine Herzerkrankung verursachen. Und das trifft zu 95% Frauen, weil wir stärker auf Stress reagieren als Männer. Darüber hinaus gibt es unterrepräsentierte Risikofaktoren wie psychische und körperliche Gewalt. Diese Einflüsse können bei Erkrankungen einen großen Unterschied im Vergleich zu den Männern machen. 

    Ab 2025 wird Gendermedizin Teil der Approbation. Was können Frauen aber bereits selbst tun, um sich um die Bedürfnisse ihres Herzens zu kümmern? 
    Das Allerwichtigste ist Bewegung. Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt fünfmal pro Woche 30 Minuten. Die mediterrane Ernährung ist für das Herz-Kreislauf-System am besten geeignet. Achten Sie auf mögliche Beschwerden: Beispiel Herzinfarkt: Frauen haben häufig nicht die typischen Beschwerden hinterm Brustbein mit Ausstrahlung zum Arm, sondern eher Übelkeit, sind nicht mehr so belastbar oder schneller müde. Insofern sollte Frau dies abklären lassen, wenn solche Beschwerden wiederkehren oder sich verstärken. Generell darf man das Herz ab 50 oder wenn die Menopause einsetzt, untersuchen lassen. Jede Frau sollte versuchen auf ihr Herz zu hören und auftretende Beschwerden ernst zu nehmen und abklären zu lassen. Frau sollte sich Raum für sich selbst schaffen. Selbstfürsorge, statt Perfektionismus und Stress. Das kann bei einer Tätigkeit sein, die ihr Spaß macht. Ob Kickboxen, Yoga oder Handarbeit. Michelle Vicente

    BUCHTIPP: Herzsprechstunde – Warum das weibliche Herz anders ist und wie es gesund bleibt, Prof. Dr. Med. Sandra Eifert und Dr. Med. Suzann Kirschner-Brouns, C. Bertelsmann Verlag, Hardcover, 304 Seiten, 24 Euro

    Aufmacherbild: © Michael Bader