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Freitag, 29 März 2024
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    Gespräch & Podcast: Was Corona in der Schule zerstört hat

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    Unsere Schülerinnen und Schüler leiden an den Folgen von zwei Jahren Corona. Doch auch die Eltern sind betroffen. Im aktuellen Podcast (siehe unten) mit der Wellingsbüttler Bildungspolitikerin (SPD) und dreifachen Mutter Anja Quast geht es um Analysen und Lösungen.

    Neben wirtschaftlichen Dramen in vielen Branchen gibt eine es weitere stark betroffene Gruppe: Unsere Kinder und Jugendlichen, Schülerinnen und Schüler. Unterrichtsausfall, Homeschooling, Präsenzunterricht, fehlende Digitalisierung, Maskenpflicht beim Sport, aber ebenfalls überforderte Eltern und Lehrkräfte.

    Doch was sind die derzeit wichtigsten Themen und Probleme zu diesem Thema? Anja Quast hat dazu ein klares Bild. Ein tiefgreifende Verunsicherung und deutliche Einschnitte haben die Schulschließungen verursacht. Wenn die Verlässlichkeit der Schule verloren geht, hat das fatale Folgen. Wir kriegen das in unserer Region und unseren Stadtteilen gut hin, so die Bürgerschaftsabgeordnete Quast, trotzdem sind die Elternhäuser stark belastet. Und wenn die Kinder keine Freunde treffen können, Verbindungen gekappt sind, hat das Auswirkungen. Wissenschaftliche Studien belegen, dass die psychischen Belastungen gravierend zugenommen haben.

    Hinzu kommt, dass Unterricht im Lockdown eine andere Qualität hat und Lernen ohne Bindung nachteilig ist. Deshalb haben wir nachgesteuert, so Quast, und schaffen unter anderem zusätzliche Stellen für die psychosoziale Beratung für Schülerinnen und Schüler. Es gibt auch resilientere Kinder, doch der Beratungsbedarf ist von acht auf zwölf Prozent gestiegen. Die Kinder sind traurig oder einfach verunsichert. Übrigens ist sogar bei den Berufswünschen eine Verunsicherung eingetreten. Wer bisher noch in die Gastronomie oder in den Tourismus wollte, sieht das plötzlich pessimistisch. Und welche Schüler sind reif für eine Beratung? Eltern merken das, so Quast, wenn handfeste Depressionen eintreten, die Lust fehlt aufzustehen, sich zu verabreden oder eine allgemeine Lustlosigkeit eintritt. Aber eben auch die Eltern selbst haben Ängste und sind gleichermaßen stark verunsichert.
    Schule ist nicht nur „Lernort“, sondern gleichermaßen ein bequemer Abstellraum für Kinder, insbesondere in schwierigen, bildungsferneren Milieus. Hat Corona hier noch heftiger zugeschlagen? Anja Quast weist darauf hin, dass auch in unseren Stadtteilen, wenn beide Eltern stark beruflich eingebunden sind, die Schule zur Nachwuchs-Abgabestelle verkommen kann. Nicht nur in den sozialen Brennpunkten. Denn Schule, so Quast, ist mehr als Wissensvermittlung. Die zwischenmenschlichen Begegnungen haben eine enorme Bedeutung.

    Und dann müssen wir uns vorstellen, dass zum Beispiel eine heute achtjährige Schülerin Schule nur unter Corona-Einschränkungen erlebt hat, also einen großen Teil ihres kurzen Lebens von Corona-Maßnahmen geprägt sind. Das ist ein Drama und hat enorme Auswirkungen auf das junge Leben.

    Trafen sich zum Schul-Podcastgespräch im Magazin Verlag Hamburg: Anja Quast und Verleger Wolfgang E. Buss.

    Auch Unterrichtsausfall ist zum Thema geworden und verbunden mit der Frage: Wie viel Stoffvermittlung ist richtig? Hat das durchschnittliche Schüler-Gehirn doch laut Neurowissenschaft bereits 14 Tage nach dem Abitur 85 Prozent aller Lerninhalte wieder vergessen. Wie sinnvoll ist es eigentlich, die Lernenden zum Nachholen des Stoffes bis zu acht Stunden in der Schule zu lassen? Anja Quast weist darauf hin, dass es auch Lernferien als freiwilliges Angebot gibt, um in Kernfächern nachzuarbeiten. Aber Kinder brauchen auch immer wieder Erholungsphasen. Trotzdem sind es fast 80 Prozent aller Hamburger Schüler und Eltern, die den ganztägigen Unterricht in Anspruch nehmen.
    Auch den mangelnden Digitalisierungsgrad an Hamburger Schulen hat Corona deutlich gemacht. Digital kann aber nur ein Teil des Unterrichts sein, so Quast, aber natürlich gäbe es hier auch Defizite. „Doch“, sagt sie im Podcast, „wir haben einen enormen Sprung gemacht. Alle Kinder, die es brauchten, haben ein Endgerät bekommen.“ Aber es sei auch deutlich geworden, dass ein digitaler Distanzunterricht Nachteile hat. Ist Präsenz-Schule also besser als Digitalunterricht? Für die Wissensvermittlung Bindung wichtig. Da reicht ein Laptop nicht.

    Ebenfalls sei auch die Bedeutung von Schulbau tatsächlich sekundär – jedenfalls für die Gestaltung eines spannenden Unterrichts. Das hat zum Beispiel die weltweite Hattie-Bildungs-Studie deutlich bewiesen.
    Im Podcast geht es ebenfalls um Fehlerkultur. Buss erinnert sich, dass er damals ausschließlich über seine Fehler in Klassenarbeiten definiert wurde. Man erhielt kein Lob, kein Wort der Anerkennung. Im Gegenteil: Man bekam nur rot angestrichen, was alles falsch war. Irgendwann glaubte ich, ich sei insgesamt falsch auf dieser Welt. Würden wir unsere Mitarbeiter so behandeln, wie uns Schüler, sie würden bald kündigen. Über die aktuellen Probleme bei der Benotung und vieles mehr hören sie im Podcast.
    Das Gespräch führte Wolfgang E. Buss

    Aufmacherfoto: © Elfriede Liebenow Fotografie

    Podcast mit Anja Quast und Wolfgang E. Buss auf AlsterCast:
    HIER jetzt reinhören!

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