Die multilinguale Künstlerin Clara Pazzini aus Rotherbaum sieht sich als Europäerin und bewegt sich schon ihr ganzes Leben zwischen Hamburg und Paris, Berlin und München. So bunt wie ihr Leben und so vielfältig wie die Welt ist ihr Debütalbum „BOXES“, das sie jetzt zusammen mit Leo Schmidthals (Selig) rausbringt.
Alster-Aktuell: Als ich dich das letzte Mal auf der Bühne erlebt habe, mit Leo Schmidthals am Kontrabass, hast du Jacques Brel gesungen. Als ich nun in dein erstes Album reingehört habe, war ich schon etwas überrascht. Wie kam es zu dem Wandel?
Clara Pazzini: Ich stehe schon seit langem auf der Bühne, meist mit eigenen multilingualen Abenden auf italienisch, deutsch, englisch und französisch als One-Woman-Show mit eigenen Texten und dramaturgischen Bögen. Ich bin ja auch Schauspielerin und liebe es, in verschiedenen Charakteren, meine komödiantische Ader ausleben zu können. Chansons habe ich tatsächlich nur im Zusammenhang mit Jacques Brel gesungen. Ich habe lange in Frankreich gelebt und dort auch Kunstgeschichte studiert, mag die Sprache. Aus diesem Grund fühle ich mich ihm nah. Aber ich habe irgendwann gemerkt, dass ich mein eigenes Ding machen möchte.
Das Album BOXES. Es ist extrem abwechslungsreich. Wie würdest du deinen Musikstil bezeichnen?
Er ist genreübergreifend und damit ein Abbild unserer multikomplexen und diversen Welt. BOXES enthält eine avantgardistische Mischung aus Pop, Soul und Hip-Hop, französischen Rap-Parts, Spoken Word, orchestralen Sounds und elektronischen Beats.
Produziert hast du es in Hamburg mit Leo Schmidthals. Wie habt ihr zusammengefunden?
Vor fünf Jahren bei Leos Kinderliederproduktion „Glühwürmchen und die Musikanten“. Eine Sängerin konnte nicht und er hat mich über eine Bekannte angefragt. Ein glücklicher Zufall, denn wir haben anschließend in einer neugegründeten Band und vor allem aber zu zweit an eigenen Sachen gearbeitet. In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben Leo und ich intensiv nach einer passenden musikalischen Sprache gesucht. Und eine gefunden, die komplett anders ist als Chansons und politische Inhalte transportiert.
Welche sind das?
Zum einen, und darin geht es im Song Boxes, die Aufforderung an die Gesellschaft, das Leben in seiner Vielseitigkeit zu betrachten und vorgegebene Schubladen zu hinterfragen und zu durchbrechen. Ganz wichtig ist mir aber vor allem auch der feministische Gedanke der Gleichberechtigung. Und zwar nicht dieser altbackene Feminismusgedanke „Alles gegen die Männer“. Feminismus ist für mich der Inbegriff der Gleichberechtigung aller Menschen. In diesem Zusammenhang ist eines der wichtigsten Themen, die Rolle der Frau in der Gesellschaft zu hinterfragen. Ein drittes uns wichtiges Thema behandeln wir im Song Antidote, der eine Art Kapitalismuskritik enthält. Denn welchen Stellenwert haben Geld und Reichtum, dem die allermeisten von uns hinterherhecheln? Gerade in Coronazeiten hat sich sich dessen Bedeutung doch relativiert. Was macht uns am Reichtum eigentlich so glücklich? Das sollten sich viele Menschen ruhig einmal fragen.
Hast du für dich eine Antwort gefunden?
Als Künstlerin stehe ich in der Gesellschaft außerhalb normativer Strukturen und sehe es als meine Rolle an, Begebenheiten zu hinterfragen. Ich sehe mich dabei aber nicht genötigt, eine Antwort für alle und auf alles zu finden, was ja auch nicht geht. Aber eine Botschaft habe ich trotzdem. Wichtig ist, auch über den Tellerrand zu schauen und nicht nur im eigenen Egoding verhaftet zu bleiben. kw
TIPP: Das spannende und abwechslungsreiche Album „BOXES“ erscheint am 17.09. beim Label HIER Records.
Alle Fotos: © Alexandra Kern