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Donnerstag, 28 März 2024
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    Künstlerische “Lebenszeichen” in Wedel

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    Die Sülldorfer Künstlerin Janina Renner zeigt noch bis zum 15. Oktober eine Auswahl ihrer Werke in der Stadtbücherei Wedel. Der Ausstellungsname „Lebenszeichen“ ist Programm, denn es ist ihre erste Ausstellung seitdem sie vor über sieben Jahren an CFS erkrankt ist und die 35-Jährige möchte damit zeigen, dass sie trotz der Erkrankung noch da ist. Zu sehen sind farbenfrohe Bilder, die sich mit Fragen der Gegenwart auseinandersetzen – unter anderem zu den Themenfeldern Rassismus und Ausgrenzung.

    Wie sind Sie zur Kunst gekommen?

    Ich war schon als Kind künstlerisch begabt und habe gerne und viel gemalt, gezeichnet, gebastelt und habe Handarbeiten gemacht. Auf dem Gymnasium hatte ich dann Kunst-Leistungskurs und neben der Schule besuchte ich Mal- und Zeichenkurse in Blankenese. Nach der Schule habe ich ein paar Semester an der HAW Illustration studiert. Zudem habe ich einen Töpferkurs an der Volkshochschule in Othmarschen gemacht. Das war der Einstieg für mich zuhause komplett frei mit Ton zu modellieren. Leider sind meine ganzen Tonarbeiten nicht in der Ausstellung zu sehen, da sie noch nicht glasiert sind. Seitdem ich vor über 7 Jahren an CFS erkrankt bin, mache hauptsächlich freie Kunst. Vorher hatte ich in Wien Psychologie und Soziologie studiert, was ich aber aufgrund meiner Erkrankung nicht weiterführen konnte.

    Haben Sie schon immer so gemalt – wie bezeichnen Sie Ihren Stil?

    Nein, ich habe in meinem Leben viele verschiedene Stile ausprobiert. Als Künstler ist man ja immer auf der Suche nach seinem eigenen Stil und seiner eigenen Ausdrucksmöglichkeit. Ich war allerdings bereits als Jugendliche fasziniert von den Mustern, Formen und Farben der traditionellen und modernen afrikanischen oder australischen Kunst. Zudem haben mich Ausstellungen von Paul Klee oder Hunterwasser fasziniert. Heute lasse ich mich aber auch gerne von zeitgenössischer Kunst in Form von Bildern oder Skulpturen inspirieren. Meinen Stil würde ich bezeichnen als Mischung aus moderner abstrakter Kunst und Art brut bzw. Outsider Art. Man kann es auch authentische Kunst nennen, weil sie sehr direkt und unmittelbar ist. Ich setze häufig Muster ein und mag es mit Kontrasten und Farbkombinationen zu spielen. 

    Welche Botschaft/Aussage hat Ihre Kunst?

    Meine Kunst ist meistens farbenfroh und lebendig. Sie ist ganz bewusst eben nicht realistisch gehalten, sondern eher kindlich und spielerisch. Einige meiner Bildern sind dekorativ und bieten eine Flucht aus dem grauen, harten Alltag. Andere meiner Bilder sind dagegen inhaltlich vielschichtig und zum Teil auch politisch. Meine Kunst soll nicht belasten, sondern erhellen und ein Gefühl von Freiheit vermitteln. Ich möchte Bilder machen, die nicht aussehen wie die Kopie der Kopie der Kopie irgendeines anderen Künstlers, sondern meine Bilder sollen etwas Eigenes haben, eine eigene Geschichte erzählen, einen eigenen Ausdruck haben bzw. eine eigene, einzigartige „Geschmacksrichtung“ aufweisen. Niemand braucht langweilige Kunst! Ich möchte in erster Linie Kunst machen, die mir selber gefällt und Spaß macht und nicht malen um anderen zu gefallen.

    Gibt es bei der Ausstellung in Wedel einen Roten Faden?

    Die Ausstellung heißt „Lebenszeichen“, weil es meine erste Ausstellung ist seitdem ich an CFS erkrankt bin. Also ich gehe mit meiner Kunst an die Öffentlichkeit um zu zeigen, dass ich trotz meiner Erkrankung noch da bin. Für die Ausstellung habe ich vorwiegend Bilder mit figürlicher Darstellung ausgewählt und keine rein abstrakten Bilder. Zudem wollte hauptsächlich ich Bilder zeigen, die etwas Positives vermitteln, also vor allem Kraft und Lebendigkeit.

    Inwieweit beeinflusst CFS Ihr Leben, wie genau wirkt es sich aus?

    Ich merke täglich, dass ich CFS habe und bin wegen meiner Erkrankung auch nicht normal arbeitsfähig, da ich oft Pausen im Liegen brauche. Ich kann nicht lange stehen, aufrecht sitzen oder laufen. Ich leide immer wieder unter Ganzkörperschmerzen, Lähmungsgefühlen in den Gliedmaßen, Atemnot, Hitzewallungen, Kreislaufproblemen, plötzlicher starker Müdigkeit, Konzentrations-, Erinnerungs- Wortfindungs- und Sprechproblemen. Damit muss ich täglich umgehen. Nach Anstrengung nimmt die Erschöpfung spürbar zu und kann stunden- oder tagelang anhalten. Mal sind die Symptome stärker ausgeprägt und mal schwächer, aber gesund und fit fühle ich mich eigentlich nie. Es gibt (zum Teil starke und verschreibungspflichtige) Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel, die die Symptome stundenweise lindern können, aber eine Heilung gibt es bislang für mich nicht. Die Coronapandemie ist bezüglich Forschung und Behandlung ein echter Hoffnungsschimmer für mich, da es sich bei CFS um eine Autoimmunerkrankung handelt, die durch eine Virusinfektion wir Corona ausgelöst werden kann und die Thematik jetzt endlich in den gesellschaftlichen Fokus rückt (siehe Long-Covid).

    Hilft Ihnen die Malerei bei der Auseinandersetzung mit der Krankheit?

    Ja, die Kunst gibt mir einen Freiraum im Leben, den ich sonst nicht so habe, da mich meine Erkrankung im Alltag leider deutlich einschränkt. Es hilft mir, wenn ich der empfundenen psychischen Belastung, die z.B. durch körperliche Schmerzen oder dem körperlichen Lähmungsgefühl entsteht, kräftige Farben und lebendige Muster entgegensetzen kann! Ein Bild zu malen bedeutet für mich die Möglichkeit für kurze Zeit gedanklich in eine andere Welt abzutauchen und so eine Form von Freiheit zu genießen, die ich sonst nicht habe. Zum Teil lasse ich an meinen Bildern auch aufgestaute Wut raus, wenn ich z.B. mal wieder negative Erfahrungen mit Ärzten gemacht habe. kw

    Ausstellung: Die Bilder sind voraussichtlich bis zum 15. Oktober während der Öffnungszeiten in der Stadtbücherei Wedel zu sehen. Nähere Infos gibt es HIER. Mehr zur Künstlerin gibt es auf Instagramm @j_renner_art_hamburg Fotos: © Janina Renner

    Über CFS:

    Die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) ist eine schwere körperliche Erkrankung. Das Immunsystem, Nervensystem und der Energiestoffwechsel weisen Auffälligkeiten auf und scheinen in ihrer Funktion gestört, weshalb es zu einer Vielzahl von Symptomen kommt. Das Kernsymptom ist die „Post-Exertional Malaise“ (PEM), eine mit bis zu 48 Stunden verzögerte massive Verschlechterung der Symptomatik nach kognitiver oder körperlicher Belastung. Damit einher geht eine rapide und gravierende weitere Reduktion des Funktionsniveaus. Je nach Schweregrad kann PEM nach jeder Tätigkeit auftreten: einer Unterhaltung, Lesen, Spazierengehen oder bei sehr schweren Verläufen bereits nach dem Anheben des Kopfes im Liegen. Die Zeitverzögerung der Verschlechterung macht es Erkrankten zu Beginn häufig schwer, einen Zusammenhang zwischen der Überanstrengung und der Verschlechterung der Symptomatik herzustellen. Zu den weiteren Symptomen von ME/CFS gehören eine Störung des Kreislaufs im Stehen oder Sitzen, Muskel-, Gelenk- und/oder Kopfschmerzen, Konzentrations- und/oder Wortfindungsstörungen (häufig als Brain Fog bezeichnet), eine schwere Fatigue, Schlafstörungen, ein starkes Grippegefühl, Halsschmerzen und geschwollene Lymphknoten.

    Quelle und mehr Infos auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS e.V.

    Eine 2016 gegründete Patientenorganisation, die für die Rechte und Bedürfnisse von ME/CFS-Kranken eintritt, indem sie sich dafür engagiert, dass Betroffene in Deutschland zukünftig eine adäquate medizinische und soziale Versorgung bekommen. “Wir wollen die dramatische Situation der Erkrankten und Angehörigen an die Öffentlichkeit bringen und setzen uns für den Ausbau der medizinischen Versorgung und Forschung ein. Als gemeinnütziger Verein bieten wir ME/CFS-Erkrankten eine demokratische Plattform, um für ihre Rechte einzutreten”, so der Verein.